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Das Urahnenprofil - Metrik und Statistik in der Zucht

In diesem Artikel soll ein Ansatz dargestellt werden, der Zuchtstrategien unter dem Gesichtspunkt der Statistik der genetischen Verteilung, beleuchtet.

1.Theorie des Urahnenprofils

Hierzu sei kurz das Prinzip des Urahnenprofils eines Individuums einer Rasse erklärt.

Es seien A,B,C und D die Urväter einer neuen Rasse.
A

------------KX

B

                 -----------X1,X2,X3

C

------------KY

D

Das Prinzip des Urahnenprofils ist nun folgendermaßen anzuwenden:

Die Nachkommen KX tragen zur Hälfte Gene von A und B, analog die Nachkommen KY die Gene von C und D.

Wenn wir die Tiere X1,X2, ... als "die Rasse" bezeichnen, dann können wir das Urahnenprofil dieser Tiere, bezogen auf die Rassegründer A,B,C und D folgendermaßen ermitteln:

UP(X1) =(A=0.25, B=0.25, C=0.25, D=0.25)  oder in kürzere Form: (0.25,0.25,0.25,0.25)

Das Urahnenprofil eines Individuums läßt sich aus den Profilen seiner Eltern einfach ermitteln, indem man die jeweiligen Koeffizienten addiert und anschließend halbiert.

UP(KX)=(0.5, 0.5,  0  ,   0)
UP(KY)=(0,    0,   0.5, 0.5)

Daraus folgt für UP(X1) = ([0.5+0]/2 , ([0.5+0]/2 , ([0+0.5]/2 , ([0+0.5]/2) =
                                    =(0.25, 0.25, 0.25, 0.25)

Das Prinzip dürfte durch obige Beispiele hinreichend erklärt sein. Was aber nützt dies in der Zucht? Zuerst sei nochmal darauf hingewiesen, dass es sich um eine rein statistische Betrachtung handelt.
Hätte man sehr, sehr viele Tiere X1, X2,....., dann würde sich der Gesamtpool aller Gene dieser Tiere wie die Maßzahlen des Genprofils dieser Tiere verhalten. D.h. dieser Pool würde sich zu je 25% aus den Genen der Rassegründer A,B,C und D zusammensetzen.
Damit ist klar, dass sich für EIN Individuum Xn KEINE Aussage über die tatsächliche Zusammensetzung seines konkreten Genbestandes aussagen lässt. Man kann im Grunde nur eine statistische Aussage über den gesamten Genpool machen, weiter nichts.

Trotzdem ist jedem aufmerksamen Leser nicht entgangen, dass es einfach WAHRSCHEINLICHER ist, dass EIN Individuum MEHR von seinem Urahn an Genen mitbekommen hat, wenn dessen Maßzahl im Urahnenprofil höher ist.
Ist die Maßzahl des jeweiligen Urahns ja nichts weiter als ein Maß für die Anzahl des Auftretens dieses Urahns im Stammbaum des Individuums.

Das Prinzip des Urahnenprofils gestattet auch eine Abschätzung der tatsächlichen Inzucht nach unten. D.h. kennt man das Urahnenprofil zweier Individuuen, dann läßt sich die Inzucht, bezogen auf die Urahnen, nach unten abschätzen, also eine Maßzahl für die Inzucht errechnen, die MINDESTENS vorliegt.

Dazu multipliziert man einfach die jeweiligen (zusammengehörigen, also auf den gleichen Urahn bezogenen) Koeffizienten des Urahnenprofils, halbiert das Ergebnis und addiert die Teilergebnisse auf.

Dies sei an einem Beispiel gezeigt:

Würde man  X1 und X2 verpaaren dann ergäbe dies:

UP(X1)=UP(X2)=(0.25, 0.25,0.25,0.25)

IK_min(NachkX1X2)=0.25*0.25/2 +0.25*0.25/2 +0.25*0.25/2 +0.25*0.25/2 =0.125

Da X1 und X2 ja in Wirklichkeit Geschwister sind, liegt der tatsächliche IK bei 0.25, die Abschätzung in diesem einfachen Fall würde also genau die Hälfte ergeben.

Wenn wir davon ausgehen, dass unsere einfache Beispielrasse im weiteren Verlauf nur noch mit Tieren X1,X2,.... weiter gezüchtet würde, dann wird noch ein weiteres Phänomen deutlich:

Das Urahnenprofil aller weiteren Nachkommenvon der Xn Tiere wäre konstant gleich. Das heisst aber auch, dass der IK (bezogen auf die Urahnen) NIE den Wert 12.5 % unterschreiten kann.

Unsere Beispielrasse wäre m.a.W., bezogen auf die Urahnen, "durchgezüchtet". Wir würden nur noch Tiere finden, die in ihren Urahnenprofilen immer gleich sind.

2. Theorie und Praxis

Was aber kann nun das Urahnenprofil zur züchterischen Praxis beitragen?
Zu Anfang sei bemerkt, dass es bei der Rasse Eurasier tatsächlich noch möglich ist, einen Urahnensatz zu finden, der so gut wie alle Tiere abdeckt und damit überhaupt das Prinzip anwendbar macht. Dieser Satz geht zwar weit in die Ahnen der Ursprungstiere zurück, enthält auch einige "unbekannte" Tiere, die aber über ihre Nachkommen noch klassifiziert werden können. Die technischen Details hierzu würden eher langweilen, sie sind prinzipiell lösbar.

Damit also ist  man in der Lage, für jeden Eurasier ein Urahnenprofil mit der gleichen Basis zu errechnen. Wie in 1. dargestellt, kann  man damit eine gute Abschätzung der Inzucht nach unten machen, also einen Wert der Inzucht (bezogen auf den Urahnensatz) errechnen, den man überhaupt nicht unterschreiten kann, wenn man 2 Tiere verpaart.

Viel interessanter aber ist die Anwendung des Urahnenprofils um Linienzucht darzustellen.
Wenn man das Urahnenprofil eines "Linientieres" als Vergleich nimmt, und seine Nachkommen dagegenstellt, dann erkennt man in eindrucksvoller Weise, wie selbst noch in entfernten Nachkommengenerationen sich die Profile gleichen.
Man erkennt unterschiedliche Zuchtstrategien.
Konzentration auf bestimmte Linientiere oder Streuung der Urspungstiere.
Man kann Linienkreuzungen deutlich sichtbar machen.

3.Zuchtstrategien und das Urahnenprofil

Hierzu erst einige Worte zu dem Gespenst der Inzucht. Inzucht ist in der freien Natur, also z.B. in freilebenden Wolfsrudeln, etwas vollkommen normales. Diese Inzucht ist in den ersten Generationen auch in der Regel unproblematisch. Erst die über viele Generationen fortgesetzte Inzucht führt in die Inzuchtdepression. Die Natur kennt viele verschlungene Wege, diese Depression zu vermeiden, und sei es, dass die geschädigten Tiere eben sterben und damit die weitere Inzucht stoppen. Die Dynamik von Wolfsrudeln aber kommt dieser Entwicklung in der Regel zuvor. Ausgestoßene Tiere, Rudelteilung, Einzelgänger, die sich in anderen Rudeln integrieren, Mechanismen, die Inzuchtfolgen zu mildern kennt die Natur genug. Inzucht in nahen Generationen wird ja auch in der Tierzucht zur Stabilisierung gewünschter Merkmale angewandt. Die Jägerhof-Eurasier waren ja ein eindrucksvolles Beispiel, wie der Mensch die Natur hier vorbildlich kopiert hat. Wie gesagt, nicht der Mensch hat die Inzucht zur Stabilisierung erwünschter Merkmale erfunden, das war die Natur selbst.

Beim Haushund ist es natürlich schwierig, die Natur zu kopieren. Wie soll man herausfinden, welche Tiere eines Wurfes sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als Leittiere eignen und damit in freier Natur, so sie denn in einem Rudel zusammen bleiben würden, sich später einmal paaren würden? Sobald die Welpen eines Wurfes bei den neuen Besitzern sind, scheint die Möglichkeit, die herauszufinden fast unmöglich. Die unterschiedlichen Umweltbedingungen bilden jetzt bereits den Phänotyp heraus und dieser kann dem Genotyp im Extremfall vollkommen gegen laufen.
Der am wenigsten durch die Umwelt beeinflusste Genotyp in Hinblick auf Führungsfähigkeit scheint sich im Welpenlager zu zeigen. In den ersten 8 Wochen beim Züchter sind die Umweltbedingungen praktisch gleich.
(Anmerkung: Bei unserem ersten Wurf konnten wir bereits nach 4 Wochen klar erkennen, welcher Rüde und welche Hündin die jeweiligen Alphas sind. Aber bereits kurz nach der Abgabe hat sich der im Welpenlager weniger dominante Rüde in seinem neuen "Rudel" als durchaus dominant gezeigt. D.h. wäre er im "alten" Rudel verblieben, wäre er mit hoher Wahrscheinlichkeit NICHT zum Alpha geworden. )

Wenn also ein Wurf komplett beim Züchter verbleiben würde, dann könnte man die Natur kopieren indem man dem Rudel freien Lauf läßt und schaut, wie das Rudel die Nachkommensfrage selber löst. Aber in der Hundezucht ist das wenig praktikabel.

3.1. Nahe Inzucht

Darunter versteht man im engeren Sinne die Verpaarung von Individuen, die "eng" miteinander verwandt sind. Diese Taktik wird angewendet, um erwünschte Merkmale zu stabilisieren bzw. Erbgänge eindeutig zu erkennen. Im beschränkten Umfang ist dagegen nichts einzuwenden. Fortgesetzte "nahe" Inzucht führt zur Inzuchtdepression mit all ihren schlimmen Folgen (Totgeburten, offene Bauchdecken, Blindheit, usw)
Merkmal im Urahnenprofil:
Die Profile der Elterntiere unterscheiden sich nur wenig oder gar nicht.

3.2. Linienzucht

Innerhalb einer Rasse versteht man unter Linienzucht die Zucht von Tieren, die sich in ihren Urahnenprofilen im Vergleich zu einem oder mehreren Linientieren nur wenig bis gar nicht unterscheiden.
Grundsätzlich beschränkt sich Linienzucht auf einen Teil des Rassegenpools, da es ja die Anteile bestimmter Tiere der Rasseurväter vernachlässigt und die Anteile der Urahnen der Linientiere verstärkt bzw. mindestens hoch hält.

3.3.Streuzucht

Damit bezeichnet sich eine Taktik, die darauf bemüht ist, die Anteile  aller Rassegründertiere möglichst breit und gleichmäßig über die Population zu streuen.
In unserem Beispiel von 1. wären die Tiere Xn bereits mit der maximalen Streuung gesegnet.

Zusammenfassend muss man sagen, dass Nahe Inzucht und Linienzucht, werden sie denn nicht immer wieder dadurch durchbrochen, dass man Linien kreuzt bzw. die nahe Inzucht früh genug verlässt, grundsätzlich in Depression enden werden.

Auch die Streuzucht wird irgendwann in Depression enden. Im Beispiel von 1. Ist jedem klar, dass so eine kleine Anzahl von Tieren ( gerade mal 4) sicher nicht ausreicht um eine Rasse zu gründen. Wenn die maximale mögliche Streuung im Urahnenprofil bei allen Tieren der Population erreicht ist, ändert sich daran nichts mehr (siehe 1.).

Bei den Eurasiern lassen sich sehr leicht verschiedene Linien ausfindig machen. Diese Linien gilt es zum Wohle der gesamten Rasse immer wieder zu verkreuzen. Auch Einbringung neuer Tiere muß zum Repertoire gehören, um die Rasse möglichst lange fit zu halten.

Das Urahnenprofil kann dabei hilfreich sein. Je deutlicher sich die Profile zweier potentieller Elterntiere unterscheiden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich keine Depressionserscheinungen bei den Nachkommen einstellen.
Fortgesetzte Zucht mit Tieren, die sich in ihren Urahnenprofilen stark ähnlich sind,  ist ein Spiel mit dem Feuer. Die Wahrscheinlichkeit von Depressionserscheinungen ist hier einfach höher.

Bemerkenswert ist auch folgender Zusammenhang:
Wenn man konsequent Streuzucht anwendet, dann endet man irgendwann an einem Punkt, wo alle Individuen genau das gleiche Urahnenprofil besitzen. Dann hat man unweigerlich den Punkt erreicht, der praktisch der nahen Inzucht gleichkommt. Spätestens dies ist der Punkt, wo man gezwungenermaßen immer mit dem Feuer der Depression spielt. D.h. aber mit anderen Worten nichts weiter, als dass die permanente Einbringung neuer "Rassegründer" zwingend ist, um nicht in einer durchgezüchteten Rasse mit all ihren negativen Folgen zu landen.

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